Antje Feger /
Benjamin F. Stumpf

ISLE OF WHITE


Der Frage des Raums, also der Frage danach, wo man sich aufhält, wo man herkommt und wo man hingeht, wo man Einlass erhält und wo er wem verweigert wird, kommt im Zeitalter der Globalisierung eine zunehmende Bedeutung zu.

Markus Schroer in Räume, Orte und Grenzen – Auf dem Weg zu einer Soziologie des Raums, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2006


In ihrer Arbeit "Isle of White" gehen Antje Feger und Benjamin F. Stumpf der Erfahrung von Grenzen nach, äußeren wie inneren Grenzen, wie sie im Schicksal und der Lebenssituation von Flüchtlingen besonders wahrnehmbar sind. Grundlage für ihre vielschichtige Installation waren Recherchen und Interviews, Besuche von Flüchtlingsunterkünften ebenso wie von Ämtern. Dazu reisten sie zwischen Februar und Mai [2010] zu verschiedenen Orten in Schleswig-Holstein und Hamburg, vor allem an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark und auf den Schleusungswegen zwischen diesen Ländern, um diese Orte im Hinblick auf die Wahrnehmung von Migranten künstlerisch zu untersuchen.
In die vollendete Arbeit sind diese Recherchen nur mittelbar eingegangen. Als erstes wird der Betrachter konfrontiert mit dem Nachbau einer winzigen, beengten Zelle, die der Wohnsituation in einer Flüchtlingsunterkunft nachempfunden ist. Aus einem Lautsprecher sind Worte in persischer Sprache zu hören – eine Übersetzung von Rainer Maria Rilkes Gedicht "Der Panther". Sie stammt von einem Flüchtling aus dem Iran, mit dem die Künstler im Rahmen ihres Projektes Bekanntschaft machten und intensiven Kontakt pflegten; ein in seiner Heimat verfolgter Akademiker, der nach Deutschland gekommen war wegen seiner Liebe zur deutschen Dichtung und deutschen Philosophie. Durch einen geöffneten Schrank erhält der Betrachter Zugang zum Vorführraum, wo ein Film die mentale Situation, die Bedrohung und Bedrängnis eines Flüchtenden darstellt, in einer Weise, die das konkrete Erleben und Leiden zu atmosphärisch verdichteten Szenen sublimiert, die dazu mit Landschaftsbildern parallelisiert werden. Auf dokumentarische Elemente verzichtet der Film weitestgehend, stattdessen setzt er auf die Eindringlichkeit der inszenierten Handlung und die Stimmung der Landschaftsaufnahmen. So wird deutlich, dass "Isle of White" sich nicht allein auf die konkrete Grenze zwischen Deutschland und Dänemark, nicht nur auf bestimmte Orte wie die in völliger Abgeschiedenheit liegenden Unterkünfte bezieht und auch nicht nur in der Gegenwart spielt. Vielmehr wird die Winterlandschaft zur Metapher für menschliche Kälte, wird in der namenlosen Figur des Flüchtenden die grundsätzliche, existenzielle Erfahrung von Unfreiheit und Heimatlosigkeit, Kälte und Bedrohung anschaulich.


Dr. Uta Kuhl, Kurator, Landesmuseum Schloss Gottorf
In: Jürgen Fitschen (Hrsg.): Verwehte Orte - Ein Parcours de Paradis, 2010.