Antje Feger /
Benjamin F. Stumpf

IN TRANSIT



Seit ungefähr sieben Jahren begibt sich Benjamin F. Stumpf auf Reisen in Grenzgebiete und Grenzzonen, Grenzorte am Rand und innerhalb Europas. Fotografien, die er dort aufnimmt, werden von ihm gesammelt, mit Ort und Jahresdatum der Aufnahme beschriftet und in einem ständig wachsenden Kompendium archiviert. Es sind Stadt- und Landschaftsaufnahmen, Fotografien von belebten und unbelebten Orten, von Demonstrationszügen, von einzelnen Personen, Nachrichtensprechern und Reportern, Schiffen, Grenzstationen, Stills aus Fernsehnachrichten, Szenen aus dem Rotlichtmilieu etc.. Die Fotografien umkreisen Themen der Migration, Grenzziehung und Grenzüberschreitung. Grenzorte werden visualisiert und es zeigt sich dabei ihre Unspezifität.

„Grenzen lassen sich kaum mehr fassen, da das Individuum beginnt, sich im globalen Netz einer totalen und komplexen Kommunikation aufzulösen.“* Einer Aussage wie dieser scheint Benjamin F. Stumpf mit seiner Art der Spurensuche entgegenwirken zu wollen. In seinen Raum- und Videoinstallationen kombiniert er einzelne Bilder seines Archivs und präsentiert sie in unterschiedlichen medialen Ausformulierungen. Sie finden sich in Ordnern in Doppelreihen übereinander abgedruckt oder mit Überblendungen und Überschneidungen zu etwa 15-minütigen Filmen montiert, die er in Mehrfachprojektionen präsentiert und nebeneinander stellt. Unterlegt sind diese Filme mit einer Soundebene, die er aus einem Sampling von Radio-Kurzfrequenzen und Nachrichtenmeldungen generiert hat.

Für die Ausstellung zum Gottfried Brockmann Preis 2009 hat Benjamin F. Stumpf eine Installation eingerichtet. Durch einen schmalen Korridor betritt man einen dunklen Raum, der Erinnerungen an verlassene und verstaubte Büroräume und Grenzstationen hervorruft sowie zeit- und ortlos zu sein scheint. Auf einem Schreibtisch liegt ein Ordner seines Bildarchivs, für den Besucher einsehbar. Oberhalb des Schreibtisches befindet sich ein Regalbrett, auf dem zwei Monitore stehen. Auf diesen sind – gleich einem Überwachungssystem – werden die Filme abgespielt. Die Installation basiert auf der Videoinstallation Transit (2008), in der Benjamin F. Stumpf sich auf eine parallele Großprojektion der Filme beschränkt hat. Standen hier noch Fragen der mediatisierten Wahrnehmung im Zentrum, so werden diese in Intransit mit der Idee eines als bürokratisch determinierten Raumes, der der Observation dient, verknüpft. Damit wird der Ausstellungsort zur scheinbaren Beobachtungs- und Kontrollzentrale umfunktioniert. Der Besucher wird zum passiven und machtlosen Akteur, der das visuelle Material lediglich studieren kann. Benjamin Florian Stumpf untersucht künstliche und natürliche Grenzziehungen in ihren Erscheinungsformen und Auswirkungen. Hierbei legt er den Fokus auf das fotografische Bild und nutzt es in seiner (statischen) dokumentarischen Form. Gleichzeitig kombiniert er die Fotografien nach scheinbar subjektiven Aspekten zu Filmen, wodurch sie eine weitere narrative Ebene erhalten. Der Besucher kann den Filmen folgen, oder aber, sich beim Blick in das Archiv einen eigenen (imaginären) Film erstellen und dieses Bild mit dem eigenen Grenzbild in Beziehung setzen.

*Andreas Vowinckel, borderlives in: Ausst.Kat. Aachen: Ludwig Forum für Internationale Kunst / Kiel: Stadtgalerie Kiel 2008: borderlives. Zeitgenössische Kunst aus Helsinki, St. Petersburg und Tallinn, S. 27

Dr. Peter Kruska
in: Katalog, Gottfried Brockmann Preis 2009, Stadtgalerie Kiel